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Tiefenarbeit an der Erd-Schale ©

Christa Laukamp

Heilpraktikerin für Psychotherapie



Kurzbeschreibung eines Falles

In diesem Fall geht es um einen drei Jahre alten Jungen.

Die Eltern schicken das Kind wegen eines gebrochenen Beines. Das Kind hört auch Wochen nach Abnahme des Gipses nicht auf, darüber zu sprechen, wie das Unglück sich zugetragen hat - er war vor einen Pfahl gelaufen und unglücklich gefallen - die Eltern machen sich Sorgen, zumal er manchmal unvermittelt aggressiv wird.

Moritz (Name geändert), von seiner Mutter gebracht, nähert sich etwas verschämt verschmitzt der Schale, sieht sich dabei den Raum genau an und will sich auf den Stuhl vor dem Tisch mit der Schale setzen. Ich frage ihn, ob ich ihm helfen dürfe. Jetzt erst registriert er mich wirklich, zögert, schaut zur Mutter, die noch an der Tür steht. Da ihn der Ton in der Schale so anzieht, lässt er sich etwas helfen. Ich setze mich neben ihn und deute der Mutter mit einer Geste an, dass sie sich im Warteflur hinsetzen solle. Sie schließt vorsichtig die Tür.

Moritz ist so angezogen von dem, was da vor ihm steht, dass er alles darüber vergisst, was nicht zu diesem Thema gehört.

Trotzdem wendet er sich dem Material abweisend zu und nimmt etwas mit den Fingerspitzen, zeigt es mir und brabbelt etwas vor sich hin. Er will wohl einen See machen, ich soll ihm dabei helfen, was ich genau nach seinen Anweisungen tue.

Im Zuge dieser Sitzung legt er einen See links, einen Berg rechts an. Mir wird deutlich, dass er nicht an seinem gebrochenem Bein arbeitet, sondern Elternqualitäten herstellt; links Mutter-See, rechts Vater-Berg. Dazwischen ist viel Platz. Ich weiß, dass Kinder diesen Platz am liebsten haben, dass sie auch innerlich dahin gehören. Deshalb frage ich ihn danach.

Da steht er ganz vehement von seinem Stuhl auf und rennt zum Maltisch, der in der Ecke des Raumes vor einer Stehlampe steht.

Warum kann er diesen Platz zwischen den Eltern nicht einnehmen, warum erschrickt er förmlich davor?

Ich muss behutsam mit ihm arbeiten, damit er wie jedes Kind in seinem Alter diesen Platz innerlich haben darf. Obwohl seine Eltern ihm diesen Platz nicht streitig machen im Außen, so scheint es etwas in seinem Leben zu geben, das ihn das so empfinden lässt. Da er altersgemäß nicht in der Phase der Ablösung von den Eltern steht, wäre es für ihn notwendig, diesen Platz einzunehmen, um von diesem sicheren Hort aus sein kleines Leben zu bewältigen. Ist das der Grund für sein unangemessenes aggressives Verhalten, aber auch für seine häufige Ängstlichkeit?

Warum thematisiert er nicht sein vor Monaten gebrochenes Bein?

Ich werde warten, bis er mir über die Arbeit zeigt, warum ihm das Thema „Ich im Schutz der Eltern links und rechts" vorrangig ist oder ob es mit dem Thema Beinbruch zu tun hat.

Ich weiß jedenfalls, dass er vor allem diesen inneren Platz braucht, bei dem ich ihm helfen kann, ihn wieder seiner Entwicklung gemäß einnehmen zu können.

Ich warte bei der Erd-Schale auf ihn.

Nachdem er beim Malen einen Kreis gemalt hat und dann darin aggressiv gekritzelt hat, knipst er das Standlicht hinter sich aus und kommt wieder zurück. Für heute kann er nicht mehr, will jetzt zu Mama. „Wann kommst du wieder?" - „Morgen." Morgen bedeutet in einer Woche.

In den nächsten Sitzungen arbeitet er immer in diesem Ritual: Ist die Abwehr in der Schale zu groß, geht er zum Malen, knipst das Licht an. Agiert sich aus, knipst das Licht aus und kommt wieder zurück.

Auch mit den Bildern links und rechts geht es wie in der ersten Stunde weiter. Sie werden jedoch immer größer. Die Mitte wird - wie vermutet - nicht mit ihm, d. h. mit einer Ich-Funktion, sondern mit Riesengestalten besetzt, mit denen er sich auseinandersetzt. Einmal ist es ein Drache, mit dem er kämpft, einmal baut er einen riesigen Wassergraben, in dessen Mitte ein König herrscht, der aber von „Achtung Attacke, Angriff!" von unsichtbaren Feinden besiegt wird. Übrig bleibt ein kleines Mäuschen, das in einer Ecke innerhalb der Gräfte ein Loch findet. Immerhin ist er, wenn auch fast noch nicht sichtbar, nun da.

Vor der 6. Stunde erzählt mir die Mutter, dass er nach der letzten Stunde mit seinem Freund nicht mehr so außer sich vor Wut zankt. Ich empfehle der Mutter, dass sie sich mit ihrem Mann, der beruflich wenig zu Hause ist, bespricht, ob beide Eltern allein mit dem Jungen etwas unternehmen könnten, ohne die Schwester...... Papa, Mama und er in der Mitte.

In den Folgestunden bleibt der kleine Kerl bei seinem Thema: Die Elternfunktionen links und rechts werden immer größer, der Mittelpunkt und die Auseinandersetzung auch immer größer und heftiger.

In der 11. Stunde geht er nicht zum Malen. Die Auseinandersetzung, der Kampf um die Mitte werden nun hier in der Schale mit aller Stärke ausgetragen.
Einmal hört er plötzlich mitten im Kampf unvermittelt auf. Wir sind bereits bei den guten und bösen Rittern angelangt. Muss er wieder, nachdem er es über mehrere Stunden geschafft hat, doch noch zum Malen rennen, weil die Emotion im Ton zu schrecklich ist?

Statt vom Stuhl zu rutschen, meint er abrupt: „Und jetzt kriegen die eine Bratwurst." Er malt etwas auf den Ton. „Hm", brummt er. Dann schreit er laut: „Weiter!" und kämpft in dieser Sitzung als böser Ritter, der alle kaputt macht. Dann stirbt auch der böse Ritter.

Zum Schluss ist es nicht so einfach, einen entwicklungsträchtigen Impuls zu setzen. Wir einigen uns, dass die Burg einen Aussichtsturm hat.... „Mit Fahne", ergänzt er und setzt einen fast noch nicht sichtbaren Krümel auf eine ehemalige Mauer, die etwas hoch steht. -------- Immerhin ein Krümel!!!!

Im Gespräch mit der Mutter erfahre ich, dass er weniger von seinem Unfall erzählt und dass sie einen Besuch auf dem Weihnachtsmarkt mit ihm gemacht haben - PAPA - Moritz - MAMA. Aha, das musste die leckere Bratwurst sein, die ihn für den weiteren Kampf so gestärkt hat.

Mir wird nun klar, dass er unbewusst immer wieder vom Unfall erzählt hat, damit er, das war seine Erfahrung, dann so im Mittelpunkt steht, wie er es vermisst hat, seitdem da auch noch eine kleine Schwester geboren worden ist, die ihm sein bisher allein beherrschtes Königreich streitig macht.

Ich erfahre, dass er insgesamt weniger aggressiv und im Kindergarten weniger ängstlich ist.

Ich weiß, wenn er nicht mehr das schier außer sich agierende Attacke-Spiel spielen muss, bei dem er dann doch untergeht, sondern sich in die Mitte setzen und diesen Stand behalten kann, dann ist er wieder in Umgang mit seinem kleinen Leben. Dann kann er außer altersgemäßen Attackespielen auch andere Spiele spielen.

Es gibt noch einmal einen Rückschlag, nachdem er das ganze Schloss, das inzwischen zu einem Vulkan geworden ist, aus der Schale geworfen hat vor lauter Wut, um den freien Platz einnehmen zu können.
Das überfordert ihn nun zur anderen Seite, denn um Elternablösung geht es ja nicht! Diese unangemessene Haltung lässt sich durch seinen schnellen Affekt in diesem Moment nicht aufhalten.

In der Folgestunde geraten seine Kräfte dann wieder in Ordnung. Er setzt sich zum Schluss zunächst als gesiegter Ritter auf einen Berg und als Ente auf einen See - ich erinnere mich an die 1. Stunde, in der die Bilder Berg (Turm) und See in allen Größen für Elternfunktionen gebaut wurden - nun ist er friedlich beschützt bei beiden Eltern - als Ritter bei seinem Turmvater und als Ente bei seinem Muttersee. Nach dieser Seligkeit - das ist das Gegenteil vom Herausschmeißen in der vorherigen Stunde - führt er Ritter und Ente zu einem Klumpen zusammen und sagt: „Das wird ein Spielkind, ein Mädchen." - Ist das die Versöhnung mit seiner Schwester oder mit dem eigenen inneren Anteil, den er auch als Ritter nun zulassen kann? Schließlich suchen sich Ritter auch mal ein Burgfräulein, auch wenn sie dann wieder weiter in den (Lebens-)Kampf ziehen - das ist schon gut für einen 3-jährigen, wenn er auch mal mit Mädchen spielt.
Hups, da holt er sich die gleiche Menge Tonerde von außen und formt in aller Ruhe ein 2. Kind. „Die spielen Ball", sagt er und formt eine kleine Kugel. Die kleine Kugel rollt er zwischen die beiden.

Das ist's!

Die Kugel, in den vorherigen Stunden oft als Kanonenkugel gebraucht, ist nun so klein, dass sie zwischen den beiden Kindern wie einen Ball bewegen kann, ganz vorsichtig - er braucht Zeit.

Schließlich auf das Drumherum von mir aufmerksam gemacht, wo die denn spielen, antwortet er: „Auf dem Mond!"

Er würde sicher noch eine kleine Stärkung gebrauchen, vielleicht ein bis drei Sitzungen, dann würden die zwei sicher auf der Erde spielen können. Ich war sehr gespannt.

Die Geschichte mit dem Beinbruch tritt auch in den letzten Sitzungen nicht als Thema auf.

Er spielt wieder mit den Kindern im Kindergarten, ohne gleich zu schreien oder wegzulaufen, seine Beinbruchgeschichte ist nicht mehr im Gespräch.

Im Abschlussgespräch mit den Eltern ist klar: Sollte er irgendwann noch einmal über längere Zeit von seinem Gipsbein erzählen, so würden die Eltern es als Symptom dafür sehen, dass ihr Sohn mit irgendetwas in seinem Leben nicht ganz fertig wird. Ich hoffe, dass er außer der normalen Erinnerung daran, keinen Anlass dafür haben würde.

Christa Laukamp

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